Sneaker Collecting – Wie Turnschuhe zum Sammelobjekt wurden
Sneaker Collecting – Wie Turnschuhe zum Sammelobjekt wurden
Was vor einem Jahrzehnt noch kaum jemand verstanden oder gekannt hat, ist heute ein Thema, das auch den Mainstream erreicht hat: Sneaker Collecting. Das Sammeln von Schuhen ist kein nischiges Hobby mehr. Wie Daniel Benz, der Gründer von Asphaltgold mal lachend in einem Interview sagte: “Sneaker zu sammeln, ist ja quasi zum Volkssport geworden.” Und nicht nur das, Sneaker sind zum Alltag in eigentlich jeder Gesellschaftsschicht geworden. Dieses Phänomen beobachten wir seit ungefähr einem Jahrzehnt, was gar nicht so lang ist, wenn man bedenkt, dass die Erfindung von Sneakern über 150 Jahre zurückliegt.
Sehr lang wurden Turnschuhe eher aus funktionalen als aus stiltechnischen Gründen getragen. Heute sprechen wir von einer Sneaker-Kultur, die Geschichte geschrieben hat und weltweit Menschen begeistert. Wir nehmen dich mit auf die Reise, woher der Begriff Sneaker überhaupt kommt, wie die Schuhe mit der Gummisohle die Straßen und schlussendlich auch den Mode- und Finanzmarkt begeistert haben. Und wir versuchen uns kurz zu halten.
Woher kommt eigentlich der Begriff “Sneaker”?
Der Begriff “Sneaker” ist in weiten Teilen der Bevölkerung in Deutschland bekannt und steht im Duden. Lange haben wir den Begriff gar nicht hinterfragt und ihn so genommen, wie er ist: ein englisches Wort eben. Ist er auch, aber er wurde erfunden, und zwar 1917 von Henry Nelson McKinney, einem Mitarbeitenden einer Werbeagentur (NW Ayer & Sons) in den USA. Im Englischen ist das Wort vom Verb „to sneak“ abgeleitet, das so viel wie „schleichen“ bedeutet. Und das war damals der Unique Selling Point des Schuhs, denn wegen der Gummisohlen hörte man die Träger:innen kaum auftreten, anders als bei Lederschuhen. Eine zunächst schleichende, aber mittlerweile legendäre Erfolgsgeschichte. In Deutschland setzte sich erstmal nur der Begriff “Turnschuh” durch. Er wurde genutzt, um die ganze Generation rundum den Gummischuh zu benennen: “Generation Turnschuh”. Aber wie bei vielen englischen Begriffen wurde der Begriff Sneaker adaptiert und eingedeutscht. Übrigens, in UK und Australien ist der Begriff “Trainer” bis heute eher üblich.
Wie Sneaker weltweit Herzen erobert haben
Die Anfänge: Tennis, Krocket und Weltkriege
Bis Sneaker auf den Laufstegen der Fashion Shows getragen wurden, ist eine Menge Zeit vergangen. Denn Sneaker haben ihren Ursprung, wie du sicher weiß, im Sport. Schuhe mit Gummisohle wurden erstmals in den 1860er Jahren für Tennis und Krocket erfunden. Die leichte Gummisohle war deutlich besser geeignet als die damals üblichen Schuhe mit Ledersohle. Und dafür wurden sie lange auch ausschließlich getragen. Wann und wie genau der erste Sportschuh auf der Straße getragen wurde, lässt sich so nicht sagen und so tief wollen wir auch nicht in die Materie gehen. Fest steht, dass in den USA zunächst erstmal Kinder Sneaker auf der Straße trugen und generell die Amerikaner:innen als erstes an Sneakern auf der Straße gefallen fanden. Eine nicht glamouröse Bewegung hat es zwischen den zwei Weltkriegen gegeben. Denn die Regierungen wollten ihre Armeen bestmöglich trainieren, deshalb wurde Sportunterricht in den Schulen angeboten, die Turnerbewegung wuchs und so auch die Produktion von Turnschuhen und damit auch die Verwendung auf der Straße. Einige Zeit später trug auch die Aerobic-Ära dazu bei, dass Turnschuhe als modisches Statement getragen werden konnten. Aber der Breakthrough kam mit dem Hype um Basketballschuhe (und Fußballschuhen in Europa).
Der Durchbruch: Basketball, Hip-Hop und Rebellion
Im Kampf der Giganten um den besten Basketballschuh liegt der Ursprung der Sneaker-Kultur. Wenn du dazu mehr lesen möchtest, check gerne unseren Beitrag “Die besten Basketballschuhe und ihre Geschichte” ab. Adidas dominierte Anfang der 80er die Basketball-Markt. Unter anderem mit dem Adidas Superstar, der in den Straßen von New York gefeiert wurde und 1986 von RUN DMC im Song “My Adidas” einen Legendenstatus erlangte. Währenddessen schmiedeten andere Brands Pläne, wie sie ein Stück vom Kuchen abbekommen können. Allen voran Nike, die mit Michael Jordan daran arbeiteten, den Air Jordan 1 High auf den Markt zu bringen. Und als das 1985 geschah, drehten die Basketballfans durch. Alle wollten den rot-schwarzen Jordan 1 haben. Die neuen Basketballschuhe und Modelle wie der Adidas Samba (in Europa) haben eine Art ästhetische Revolution losgetreten. Jugendliche wollten damals gegen die Norm rebellieren und trugen deshalb Sportschuhe auf der Straße. Alles in allem hat ein Melting Pot aus verschiedensten Subkulturen Sneaker groß gemacht: Basketball, Fußball, Running, Skateboarding, Hip-Hop und vieles mehr. Turnschuhe wurden zu einem Statussymbol und ebneten den Weg für das Sneaker Sammeln.
Der Aufschwung: Sneaker Collecting, Collabos und Sneakerheads
Der Boom der Basketballschuhe sorgte für eine immer größer werdende Auswahl an Colorways. Die Vielfalt, die für eine Sammler-Kultur notwendig war. Wobei die Brands schon damals auf künstliche Verknappung setzten. Und damit den Anreiz schafften, für Schuhe “kämpfen” zu müssen, beziehungsweise sich lange auf die Suche danach zu begeben. Die Hip-Hop-Bewegung hat in ihren Songs über Sneaker gerappt und ihnen ihre Glaubwürdigkeit als Statussymbol verliehen. Neben den bereits erwachsenen Fans gab es auch viele Kids, die die Jordans angehimmelt haben und sich nicht leisten konnten.
Einer der Gründe, warum das Sneaker Collecting einige Jahre später so groß wurde: Die Kids sind zu Erwachsenen geworden und konnten sich endlich ihre Grails leisten und wollten sie dann auch alle haben. Damals gab es aber noch keine Raffles und weltweite Releases, daher musste man sich vernetzen, um an die geliebten Sneaker zu kommen. So ist eine Community entstanden, die weltweit agiert, zusammenhält und eine Leidenschaft teilt: Sneaker sammeln, tragen und bewundern und alles dafür tun, sie zu bekommen. So sagen Sammler rückblickend, dass sie durch die Leidenschaft zu Sneakern wahre Freunde kennengelernt haben. Sich zum Zelten verabredet haben oder das Zusammenhalten am Release-Tag verbunden hat. Zur Sneaker-Kultur gehören aber nicht nur die Schuhe selbst, sondern auch die Brands, die Geschichte des Schuhs, die Kreativität, die Kunst, die Exklusivität und die Geschichte zum Kauf des Schuhs. An der Stelle finden wir es wichtig zu erwähnen, dass eine Sneakerheads nicht dadurch definiert wird, wie groß seine Sammlung ist, sondern vielmehr, wie hoch das Engagement ist, einen Schuh zu bekommen.
In den 80er Jahren gab es so auch noch keine Sneaker-Shops, wie wir sie in 2024 kennen und lieben. All das hat sich in den Jahrzehnten erst entwickelt. Die Community wuchs enorm durch erste spezielle Shops und die Vernetzung durch das Internet und damit auch der Hype innerhalb der Community mit den coolsten Sneakern rumzulaufen und von anderen aus der Community gesehen zu werden. Hinzu kamen erste Kollaborationen mit Künstler:innen, Brands und Shops, die die Geschichte des Sneakers gestärkt und noch interessanter gemacht haben. Mit den ersten Camp-Outs und ausverkauften Sneakern stiegen natürlich auch die Wiederverkaufspreise innerhalb der Community. Damals, noch innerhalb der Bubble, heißt für den Mainstream uninteressant. Damals wie heute gibt es verschiedene Typen von Menschen in der Community. Manche kaufen Sneaker, um sie zu tragen. Einige stellen sie zu Hause wie Kunstwerke aus, während andere sie für die Zukunft aufbewahren und bewundern. Und dann gibt es die, die sie weiterverkaufen, um Gewinn zu machen. Und die Gruppe ist vor allem in den letzten Jahren gewachsen, seit die Sneaker so richtig im Mainstream angekommen sind.
Der Höhepunkt: Resell, Auktionen und High-Fashion
Heutzutage sind Sneaker für viele mehr als nur Alltagsschuhe. Sie gelten für Sammler:innen als Wertanlage, vergleichbar mit Gold und Edelsteinen. Im April 2023 wurde bei Sotheby’s in London ein Air Jordan 13S „1998 NBA Finals Game“ für 2,2 Millionen Dollar versteigert. Im Jahr 2021 gabs für den Prototyp des Nike Air Yeezy 1 „Grammy Awards“ bei einer Auktion 1,8 Millionen Dollar. Absoluter Wahnsinn. Brands wie Adidas und Nike produzieren weiterhin gezielt geringe Auflagen, für die die Community selbst bei Höchstpreisen noch in der Schlange stehen. Aber wie genau kam es dazu?
Da Sneaker immer beliebter wurden, versuchten die Brands, durch die Zusammenarbeit mit Künstler:innen und Luxusbrands einen noch größeren Hype auszulösen. Vor allem Rihanna, Travis Scott, Kanye West und vor allem Virgil Abloh (und das sind nur einige wenige Beispiele) haben die Schuhbranche fast ein Jahrzehnt lang mit ihren ikonischen Kollaborationen geprägt und die Sneaker Industrie wachsen lassen. Der Hype um die Sneaker von ihnen hat nicht nur in die Kassen der Brands gespielt, sondern auch in die der Sammler:innen und Reseller:innen. Die Kollabos wurden so limitiert verkauft, dass sie für teilweise das Zehnfache und mehr weiterverkauft werden konnten. Neben den Superstars, die die Schuhe entworfen haben, haben auch Stars wie die Kardashians dazu beigetragen, eine ganz neue Zielgruppe für die Sneaker-Kultur zu erschließen. Plötzlich trugen sie eine Mischung aus High und Low Fashion, wie sie die Sneaker Community noch nie gesehen hatte. Das Tragen von seltenen und coolen Sneakern wurde dazu immer mehr Ausdruck des sozialen Status. Deshalb wurden auch die High Fashion Labels wie Chanel, Dior und Louis Vuitton immer offener gegenüber Sneakern und brachten ihre eigenen heraus. Was wiederum neue Zielgruppen von Sneakern kreierte.
Du siehst, die Thematik hat viele Ecken, Kanten und Abbiegungen und wir können nur einen Bruchteil davon beleuchten. Aber die Kernessenz wird klar: Sneaker bringen Geld und damit lohnt es sich auch für jemanden die Schuhe zu sammeln, der oder die per se gar nichts mit der Community zu tun hat. Vor allem ist auch der Einstieg in den Sneaker-Resell- und Sammlermarkt durch internationale Plattformen wie unter anderem StockX und eBay einfacher geworden. Um Sneaker zu verkaufen, muss man sich nicht mehr mit einer kleinen, selbst erschaffenen Community beschäftigen, sondern kann ganz anonym die Schuhe weiterverkaufen und im Handumdrehen Geld verdienen. Die Sneaker-Kultur hat sich über die Jahrzehnte immer wieder gewandelt und ist gewachsen. Doch, wie jede andere Kultur auch, verändert sie sich. Das klassische Sneaker Collecting wird in der Nische immer ein Thema bleiben und vor allem die alten Hasen im Game immer eine wichtige Rolle spielen. Und auch wir werden immer davon begeistert sein, was manche Menschen im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben. Aber auch wir sind offen für Veränderungen und erleben gerade wieder eine ruhigere Zeit in der Sneaker-Community.
Und jetzt?
Sneaker sind und bleiben die besten Schuhe für den Alltag, vor allem für uns. Wir werden immer ein Herz für Sneaker Collecting und Community haben. Denn genau dieser Community haben wir zu verdanken, wo wir heute stehen. Mit dem Aus von Kanye West bei Adidas, dem tragischen Tod nach Krankheit von Virgil Abloh und dem Takeover der Sneaker Produktion von High-Fashion Häusern flacht der Hype um das Weiterverkaufen und Sammeln etwas ab. Wir erleben in 2024 einen Trend des Preisvergleichs und einfachen General Releases, die die Community begeistern. Basketball-Silhouetten, die meist im Vordergrund des Sammelns standen, sind dieses Jahr nicht allzu interessant. Jetzt ist die Zeit, alte Modelle von Adidas und Co. zu tragen und zu sammeln und wir sind uns sicher, dass das einige von euch freut. Sneaker werden sicher immer ein attraktives Sammelobjekt und für einige der Community auch eine Wertanlage bleiben. Trends werden kommen und gehen und wir werden für alle Themen ein Herz haben und für alle wird es interessierte Sammler:innen geben. Wenn du deine eigene Sneaker Sammlung erweitern möchtest, stehen wir dir immer tatkräftig zur Seite.
Quellen
Pohl, Michael, "Auf dem Laufenden: Der Hype um den Sneaker", 06.01.2024 https://www.rnd.de/wirtschaft/sneaker-hype-neuer-bildband-widmet-sich-dem-turnschuh-MABZ7OVXAJEM3JST4HVMCJXNZE.html#:~:text=Henry%20Nelson%20McKinney%2C%20Mitarbeiter%20der,als%20bei%20Modellen%20mit%20Ledersohlen.
Rietz, Christina, "Der Turnschuh macht den Mann", 23.07.2015 https://www.spiegel.de/stil/turnschuhe-sneaker-kultur-und-die-geschichte-des-hype-darum-a-1045002.html
Christians, Leonie, "Das"New Normal" für den Sneaker", 09.02.2024 https://www.textilwirtschaft.de/business/news/haelt-der-hype-an-das-new-normal-fuer-den-sneaker-243588
Maren, "Sneaker History: Rebellion wird zur Kultur", 19.07.2020 https://www.sneakerjagers.com/de/n/sneaker-history-eine-rebellion-wird-zur-kultur/76754
Van de Weyer, Anke, "Sneaker Hype",Geld machen mit Turnschuhen, 11.04.2018 https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/sneaker-hype-geld-machen-mit-turnschuhen
Stone, Madeline, "1,2 Millionen Dollar für 100 Paar Sneaker: Warum Investoren gerade auf alte Turnschuhe setzten", 29.07.2019 https://www.businessinsider.de/wirtschaft/sneaker-geschaeft-soll-bis-2025-6-milliarden-dollar-schwer-sein-2019-7/
Hägler, Tom, "Der Sneaker: Kein Schuh, sondern ein Stück Identität", 28.03.2021 https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/die-geschichte-des-turnschuhs-der-sneaker-kein-schuh-sondern-ein-stueck-identitaet
Williams, Starlight, "How Sneaker culture took over the world", 27.04.2023 https://www.nationalgeographic.com/culture/article/sneaker-culture-sneakerheads-air-jordans-history-expression
Vanderweide, Zoe, The Rise Of Sneaker Culture: Air Jordans And Beyond, 20.09.2022 https://www.sothebys.com/en/articles/the-rise-of-sneaker-culture-air-jordans-and-beyond
Autor: Asphaltgold |